art art museum – „Wir hängen die Glasscheibe ab“ Für die letzte Generation.

Kunstforum International / Folge 5 /

Im art art Museum findet statt, was von anderen Institutionen und Künstler*innen kaum genehmigt würde. Alles wird möglich: Wunschleihgaben, schonungslose Hängungen, fragwürdige Experimente. Die Künstlerin und art-art-Direktorin Larissa Kikol diskutiert jede Ausstellung mit einem speziellen Gast.

Nachbar: Du musst dich an die schöne Zeit erinnern. Denn nichts ist für immer.

Museumsdirektorin: Aha.

Sang Karel Gott.

Schön.

Ja.

Meinst du die Erde? Oder die Van Goghs? Oder die Zeit als Nachbar vor dem art art museum?

Für immer jung, ein Leben lang, für immer jung. Du musst dich an die schöne Zeit erinnern. Denn nichts ist für immer. Es kommt dir vor wie gestern, du warst grade neun. Dein erstes Tor, man ist stolz, wenn sich der Vater freut. Er war dein Trainer, ihr kickt vor dem Haus. Heute läuft der Mann gebeugt mit ‚nem Krückstock ins Haus. Du wirst traurig, dieser Mann, der täglich mit dir draußen war. Sitzt ganz allein am Küchentisch und hat jetzt Grauen Star.

art art museum, Ausstellung: Wir hängen die Glas scheiben ab! Für die letzte Generation., 2023

Das mit dem Vater ist von Bushido. Das ist traurig. Die Kinder müssen sich jetzt um ihre Eltern kümmern. Und um die Erde, die sie hinterlassen haben. Einige dieser Kinder nennen sich Die letzte Generation.

Ich werde einfach immer alles geben. Für immer. Für immer. Für immer jung.

Auch Karel Gott. Singst du eigentlich immer?

Ich singe sehr viel. Das ist gut für die Gesundheit. Aber ich kann kurz pausieren.

Die meisten Reaktionen auf die Breiund Suppenattacken laufen ja so: „Euer Anliegen versteht man ja, natürlich, wir mögen unsere Erde ja auch. Aber die Mittel, die muss man leider kritisieren. Und der Van Gogh hatte früher doch auch nicht viel Geld. Der war doch arm, der arme Van Gogh. Würde ein Balloon Dog von Jeff Koons in irgendeiner Lobby beworfen, ja ok, das wäre besser. Aber bitte nicht im Museum. Und wenn jetzt wegen euch werfenden und klebenden Aktivist *innen auch noch mehr Sicherheitskontrollen eingeführt werden müssen, ja, dann schadet das doch dem Museum, dann steht es doch nicht mehr für Offenheit und Demokratie und Integration. Und große Teile der Gesellschaft finden euch nicht sehr sympathisch. Bitte geht woanders hin, warum nicht in ein Fußballstadion?“

Erdgeschoss, art art museum, Ausstellung: Wir hängen die Glas scheiben ab! Für die letzte Generation., 2023

Hieß es nicht mal „Kultur für alle“?

Aber nur, wenn man dankbar ist für die Kultur für alle. Oder wenn das Unerhörte nicht in der Gegenwart passiert. Viele Kunstkritiker *innen kommen zu dem Schluss, dass es früher besser war. Also der Bildervandalismus. Frauenrechtlerinnen beschädigten Gemälde in London, weil sie endliche ein Wahlrecht haben wollten. Das findet man heute rückblickend nicht mehr so schlimm.

Warum gehen die denn heute wieder ins Museum?

Man muss es aus einer dramaturgischen Perspektive betrachten. Welche Kulisse funktioniert?

Mh.

Eben. Im Kunstmuseum stechen die Aktionen der Aktivisten doch viel deutlicher hervor. Im Fußballstadion hätte sie zu große Konkurrenz mit dem Karnevalartigen, da ist es doch eh laut und Bier fliegt hin und her. Bier, Tomatensuppe, Jacke wie Hose. Und Kunstmuseen führen als Ort keineswegs ein Image der Rebellion, der Provokation, des Aktivismus oder der politischen Debatte.

2. Etage, art art museum, Ausstellung: Wir hängen die Glasscheiben ab! Für die letzte Generation., 2023

Aber wird genau das von ihnen nicht oft genug verkündet? Dass sie kunstpolitische Arbeiten zeigen, politische Ausstellungen realisieren, dass sie sich gesellschaftlichen, politischen Protesten anschließen, dass sie provokante Kunst der Öffentlichkeit zugänglich machen?

Anscheinend zu wenig. Denn würden sie selbst genug Lärm erzeugen, wären sie für radikale Aktivisten nahe Orte, ihre Aktionen würden sich nicht genug abheben, würden kaum wahrgenommen, vielleicht sogar mit dortigen, hauseigenen Performances verwechselt.

Jetzt sollen mehr Taschenkontrollen kommen. Vielleicht werden so Scanner wie am Flughafen aufgebaut? Da muss man dann durch, bevor man sich die Kultur für alle ansehen darf.

1. Etage, art art museum, Ausstellung: Wir hängen die Glasscheiben ab! Für die letzte Generation., 2023

Das Problem liegt im Wesen von politischer Kunst, die in Institutionen, auf Biennalen aber auch auf Kunstmessen. Es sind Installationen, Ready-mades, Teppiche, ein Tee-Ausschank oder Pflanzenarrangements, die dann, Überraschung, Überraschung, eine politische Botschaft tragen, aber keinem weh tun. Diese Kunst lässt sich problemlos integrieren. Sie ist käuflich und sammelbar, sie gliedert sich in gewohnte Werkbegriffe ein und erzählt von Missständen, ohne selbst ein Missstand zu sein. Gezähmt, wie ein wilder Wolf, der keine Zähne mehr hat.

Der Wolf lebt übrigens wieder in Brandenburg. Ich habe neulich in einem Kunstmuseum einen Haufen Sand gesehen, darin steckten Flaschen. Es lagen Kabel, Seifen und Handys darin. Im Begleittext stand, dass es um Klimaflüchtlinge geht.

Sehen Sie, wie nett das alles ist. Ein Haufen Sand und ein bisschen Zeugs da reingesteckt und schon hat man das Thema abgearbeitet.

Ja ich weiß auch nicht. Hat was von Ablassbriefen.

Die Aktivist *innen erwarten von einem Kunstmuseum gar nicht, dass sie aktionistische oder künstlerische Konkurrenz bekommen. Man erwartet eine Installation aus einem Sandhaufen.

Ganzes Gespräch: https://www.kunstforum.de/artikel/art-art-museum-4/