Oscar Murillo – Interview

/ Kunstforum International /

Ein Auszug:

Oscar Murillo hat seinen festen Platz in der internationalen, abstrakten Gegenwartsmalerei. Bekannt wurde er vor allem durch bemaltes Leinen und Textilien, die er mal faltet, mal ungerahmt aufhängt, an Haken wie Handtücher oder Fahnen. Oder wie auf der Venedig Biennale 2015 mit auf Stoff eingebrannter schwarzer Farbe, die er mit dem Bügeleisen aufträgt. Er realisiert aber auch Performances und Videos mit politischen Inhalten. Seine Bilder integriert er in Großrauminstallationen, die etwas Rohes und Unfertiges ausstrahlen. Holzkonstruktionen oder Plastikstühle aus dem Baumarkt tragen zu einer Do-It-Yourself-Atmosphäre bei. Blau- und Rottöne auf tiefem Schwarz stehen für Murillos Bildwelten. Genau so wie viele gestische, energische Linien, Striche, Kringel oder Buchstaben, die an die Art brut erinnern. Seine Arbeiten wirken stark auf einer emotionalen Ebene. Murillos Expressionismus strahlt Wut aus, Angst, Widerständigkeit, Klarheit und sogar manchmal etwas Verspieltes. Jedes Bild wirkt wie ein Widerwort. Ein „Aber“ in gestischer Sprache, Finger- und Handmalerei miteinbegriffen.

Ausstellungsansicht, Oscar Murillo, Horizontal Darkness In Search Of Solidarity, Kunstverein in Hamburg, November 2019–Januar 2020, Courtesy: der Künstler & Kunstverein in Hamburg, © Oscar Murillo, Foto: Fred Dott

Auch Buchstaben und Wörter finden sich in seiner Bildsprache wieder, scheinbar schnell aufgeschrieben, mal erscheinen sie aber auch wie eine engagierte Druckbuchstabenschrift von Schulanfänger*innen. Das Gespräch mit Oscar Murillo hat abstrakte Partien, aber auch überraschend konkrete und kurze Momente. Es ist im Folgenden im Original abgedruckt, ohne Auslassungen von knappen Antworten oder gestrafften Zusammenfassungen. So behält es seinen eigenwilligen, authentischen Charakter, ganz so wie seine Malerei.

Larissa Kikol: Beginnen wir mit etwas Hunger. Was bedeuten Mango, Burrito, Yuka und Chorizo für Sie? Essen, dass Sie in Wörtern auf ihre Bilder geschrieben haben.

Oscar Murillo: Burrito – Yuka – Chorizo. Das waren Einblicke in kulturelle Werte, Familienereignisse mit Essen oder Momente, die ich erlebt hatte. Die Wörter waren ein Ausdruck dafür, dass die Kultur eine wichtige Rolle bei der Suche nach meinen Wurzeln spielte. Als ich vor etwa 15 Jahren als junger Künstler anfing, standen diese Worte als Symbole für alles, was ich hatte. Sie waren ein Angebot oder eine Reflexion über mein Aufwachsen als vertriebener Mensch. Im Gegenzug wollte ich diese Ereignisse verdrängen, diese Worte in den neuen Kontext stellen, in dem ich mich befand, nämlich der Kunst. Ich wusste auch, dass diese Worte das Potenzial hatten, für ein Publikum etwas anderes zu bedeuten, sowohl in der Kunst als auch im Leben. Ich denke, dass der Künstler, der Maler, das Persönliche – das alles miteinander verbunden ist. Eine Art surrealistischer Akt. Und diese Worte in dieses neue Terrain einzufügen, in dem ich mich zu bewegen begann, ist ebenfalls surreal.

Welche Kunst oder welche Bilder aus Kolumbien haben Sie beeinflusst?

Ich habe meine Kindheit in London verbracht, geboren wurde ich aber in Kolumbien. Mein Aufwachsen war durch diese Verschiebung geteilt. Ich stelle es mir so vor, als wäre ich ein Mangobaum in Kolumbien, in den Tropen, an der Äquatorlinie, in dieser schönen geografischen Realität. Von dort aus machte ich einen unfreiwilligen Sprung in einen Breitengrad, von dessen Existenz ich keine Ahnung hatte. Wer sich mit Geografie auskennt, weiß, dass dies eine Bewegung oder eine Verschiebung ist, die nur traumatisieren kann. Ich beziehe mich auf den Mangobaum wegen seiner Verbindung zur Natur und der Bedeutung der Natur, mit der man aufwächst, des Lebensraums. Dieser tägliche Kontakt mit der Natur, der das Schönste und Süßeste ist, wird weggenommen; die Mango landet dann in East London. Das erklärt ein wenig, warum die Kunst zu einer Art Feld wird, das diese Realität und diese Lebenserfahrung festhält.

Das ganze Interview: https://www.kunstforum.de/artikel/oscar-murillo/