Kunstforum Internationl /
Titel: „Das Surreale ist der neue Weg, der sich zwischen zuvor unverbundenen oder exklusiven Räumen bildet“
Auszug:
Emily Mae Smith ist eine US-amerikanische Künstlerin (1979* Texas), die mit ihren surrealen Bildwelten internationalen Erfolg erlangte. Zwischen Pop, Feminismus und klassischer Öl-Malerei, setzt Smith ihre wiederkehrenden Bildfiguren in gegenwärtige und kunsthistorische Settings. Eines ihrer Wesen weist die lange Form eines Besenstils auf, ist dabei aber weich und organisch beweglich. Inspiriert von The Sorcerer’s Apprentice aus Disneys Fantasia (1940), das auf einem von Johann Wolfgang von Goethes Gedichten von 1797 basiert,1 durchlebt die Figur häusliche Settings des 17. Jahrhunderts, macht Gymnastik oder findet bei Mondlicht zu melancholischen Reflexionen. Im Oktober 2024 eröffnete die Ausstellung Emily Mae Smith x René Magritte im Royal Museum of Fine Arts of Belgium. Ein Künstler des modernen Surrealismus trifft auf eine surreal arbeitende Künstlerin der Gegenwart. Beide verbindet ihr realistischer Malstil, die visuellen Tricks, die vielen Interieurs, in denen sich Surreales zuträgt, der Einsatz von bewegenden Lichtambienten, ein schwarzer Humor und die Erschaffung von Alter Egos. Die Künstler*innen spielen mit einem gedoppelten Selbst; ein Mann mit Hut, eine Frau mit Sonnenbrille oder ein wurmähnliches Wesen. Die Figuren stehen auch für viele Seelen, die sich in ihren Welten wiedererkennen. Mit Emily Mae Smith sprach Larissa Kikol über diese Figuren, ihre Gedanken zu René Magritte und das Surreale.
LK Du hast eine Hauptfigur geschaffen, die deine Malerei und damit auch dich in deinem Leben begleitet. Es handelt sich um eine langgestreckte Figur, die Assoziationen mit einem Besenstiel, einem Pinsel, einem Wurm, einer Wurst oder einem Phallus weckt. Aber sie steht für das Weibliche. Die Figur ist manchmal trendig, schrill, wachsam, aber sie erscheint auch allein und melancholisch. Künstler wie Max Ernst haben Monster und Vogelwesen geschaffen, in ihren Bildern, aber auch als Alter Ego. Jörg Immendorff hat zu diesem Zweck einen Affen kreiert. Joseph Beuys hatte mehrere Tiere, mit denen er in spirituelle Verbindung trat, wie einen Hasen, einen Kojoten oder Bienen. Ist deine Figur auch ein Alter Ego? Oder eher eine Begleiterin, eine Freundin? Oder ein Symbol?
EMS Zur Klarstellung: Dieses spezielle Objekt taucht in etwa einem Viertel meiner Bilder auf, nicht im gesamten Oeuvre. Ich habe schon immer Bilder von Objekten gemalt – ich betrachte meine Arbeit eher als „erweitertes Stillleben“ denn als „figurativ“. Objekte sind Werkzeuge und konnotieren Nützlichkeit. Sie sprechen über uns, weil Menschen Werkzeugschöpfer und -nutzer sind. Alle Objekte sind symbolisch und kulturell, und auch Gemälde sind Werkzeuge. Der Besen / Pinsel kam ursprünglich in meine Bilder, um eine fokussierte symbolische Form zu schaffen, die einen intersektionalen Dialog über Feminismus, soziale Klasse und Kunstgeschichte ermöglicht. Ich sah dieses Objekt (oder diese Figur, wie manche es nennen) als ein wirksames konzeptionelles Mittel. Es zu malen, entstand aus meiner Frustration über die Unzulänglichkeiten der visuellen Kultur. Die phallische Natur des Objekts ist von entscheidender Bedeutung, da sie die narzisstische Fehlidentifikation der Kunstschaffung und des Kunstpublikums als „männlich zentrierte Erfahrungen“ einfängt. Ich finde es witzig und entwaffnend, dies deutlich zu machen. Ein Großteil der Erzählungen der westlichen Kunstgeschichte stellt Frauen eher als Objekte, denn als Schöpferinnen dar. Also habe ich ein Werkzeug gemalt, um der Kultur den Spiegel vorzuhalten. Mit meiner Arbeit wird das Objekt zu einem transformativen Mittel. Es ist auch das sagenumwobene Instrument der Hexe.
ganzes Interview: https://www.kunstforum.de/artikel/das-surreale-ist-der-neue-weg-der-sich-zwischen-zuvor-unverbundenen-oder-exklusiven-raeumen-bildet/