Freiere Graffiti-Malerei

Werke im Verbotenen / Kunstforum International „Graffiti Now“, Band 260

„Graffiti, eine Bewegung, die „als Krisenphänomen geboren“[1], als Abenteuerspiel verbreitet und sich als Kunstgattung entpuppte, umfasst ständig neue Entwicklungen und immer wieder örtliche und individuelle Neubeginne. Die Kunstgattung ‚Graffiti‘ besetzt kein statisches, ästhetisches Dispositiv. In der an sich schon heterogenen Bewegung zeichneten sich bereits von Beginn an nicht nur unterschiedliche Typografiebilder sondern ganze Stile ab. Einer davon ist die freiere Graffiti-Malerei.

In verschiedenen Generationen an anderen Orten entwickelten relativ unabhängig voneinander Sprayer einen freieren Duktus, der sich von dem klassischen Bild der sauberen Flächenfüllung und der perfekten Konturen eines stereotypischen Masterpieces unterschied. Hier zeichnen sich Parallelen, die nur auf den ersten Blick erstaunlich erscheinen, zwischen der Graffiti- und der Kunstgeschichte ab:

Dem klassischen, regelorientierten Buchstaben-Graffiti, das dem ‚Namen‘ als oberste Institution dient, geschah das, was auch der figürlichen (naturalistischen) Malerei durch damals neue, unkonventionelle Ansätze einiger Künstler wiederfuhr: Expressionismus, Abstraktion, Art Brut, Informel, Minimal, sowie das gestische Durchsetzen von Individualität und der eigenen Handschrift gegenüber der bloßen Formabbildung des Motivs (oder des Namens).“ …

[1] Moritz Klein, Graffiti und Kapitalismus, in:  Jo Preußler (Hrsg.) The Death of Graffiti, Possible Books, 2017, S. 75