Stay in Art Magazin

Artikel über Sophia Süßmilch /

Ein Auszug:

Sophia Süßmilch baut sich ihre eigene Uterus-Welt und bespielt sie gemeinsam mit ihrer Mutter. Beide agieren als Protagonistinnen der Performance Uterusparfait. Nach einem schwitzigen Saunagang werden sie zu einem Tonbeet gefahren und auf dieses gehoben. Währenddessen ziehen sich zwanzig Darstellerinnen, vorher als Besucherinnen verkleidet, aus. Nackt holt sich jede ein Spekulum – jenes Instrument, welches bei medizinischen Untersuchungen die Vagina öffnet. Mit diesen Spekuli graben die zwanzig Helferinnen Mutter und Tochter in den Ton ein. Nur ihre Gesichter bleiben frei. Sie sitzen sich gegenüber, eingehüllt in die Erdmaterie, zurückgekehrt in die Gebärmutter, an den Ort der Schwangerschaft, der Mensch- und Daseinswerdung. Dort, wo vielleicht schon das Schicksal bestimmt wird, wo die Gene sich mischen, wobei sie auch Defekte bekommen können. Bei dieser Reise, geführt von dem Spiel einer Geigerin, bleibt offen, ob es die Mutter ist, die ihre Tochter zurückholt und sie dieses Mal Auge in Auge durch eine unterbewusste, pränatale Erinnerung begleitet, vielleicht sogar ihre Prägungen aufdecken wird. Oder ist es die Tochter, die ihre Mutter in sich aufnimmt und ihr den Schutz der Gebärmutter zurückgibt, sie ernährt und wiegt? Vielleicht ist es aber auch eine Rückkehr für beide, eine Reise zum Ursprung des Ichs, aber in einem dritten Uterus. So als würde jene ungleiche Abhängigkeit aufgehoben, die eine Mutter und ihr Baby anfangs wie ein Naturgesetz verbindet. Das gemeinsame Erleben der Abhängigkeit sorgt jetzt, und vielleicht nur so, für eine befreiende, verbundene Unabhängigkeit.

Statt des klassischen, großen Topos des Todes wird in Sanatorium Süßmilch die Geburt thematisiert, ein Thema, das in der langen männlichen Philosophiegeschichte kaum vorkam. Der Tod hingegen schon, er gehört zu den beliebtesten Reflexionsobjekten der Männer, eben weil sie keinen Uterus haben und ihnen somit nur der Blick in den Tod als Sinnstiftung übrig bleibt. Ein Missverständnis also, eine männliche (absichtliche) Fehldeutung, die vorgibt, dass der Tod komplexer oder denkwürdiger sei als die Gebärmutter. Denn was kann komplizierter oder wichtiger für die Welt, die Menschheit, das Ich und die Sinnstiftung sein, als das, was der Uterus als Phänomen repräsentiert.