Im Gespräch mit Johann König

Buchrezension und Gespräch // Kunstforum International – Band 262 /

Auszug:

„Ebenso wichtig sind die besinnlichen Reflektionen über die Kindheit, Elternbeziehungen, das Alleinsein in der Freiheit, das Durchmachen der Jugend und die Stärke der Teenager-Resilienz: die besondere Art von Naivität, die Innovation bedeuten kann. An einer Inklusionsschule hätte er es nicht geschafft. Aber die heilende Wirkung von Gemeinsamkeiten, wie in der Marburger Blindenstudienanstalt, baute ihn auf.

Das schwererziehbare Kind kommt auch heute noch durch. Im Alter von 37 Jahren eine Biografie zu schreiben scheint für viele provokant. Je älter eine Person ist, umso stärker historisiert diese ihre Kindheit und Jugend durch Politik und Weltgeschehen. Die Biografie weiht sie zum berühmten Zeitzeugen. Anders beim jungen König. Er bleibt bei sich selbst und dem, was er privat erlebte, aber nicht gesehen hat. So spricht sein Buch nicht nur Kunstinteressierte, sondern auch Teenager und Eltern an. Auch das ist ein Affront gegen den Teil der Galerieszene, deren Botox-Spritzen aus scheinbarem Intellektuellen-Sud bestehen, der direkt die Stirn zieren soll. Gibt es für Künstler kaum mehr Tabubrüche, existieren diese für Galeristen noch sehr wohl. Johann König ist in vielem ungehorsam und macht das, war er nicht tun sollte, wie Mode-Events und Yogakurse in seiner Kunstkirche oder einen Galerie-Souvenirshop mit Künstlerleggins und Gurkenseifen. Er inszeniert sich gerne in der Presse und auf Instagram. Doch die unausgesprochene Regel lautet immer noch: Guten Künstlern erlaubt man den Personenkult, Galeristen jedoch nicht. Diese sollen in der Regel immer noch den seriösen Schatten im Hintergrund darstellen. König geht auf die Vorderbühne, jedoch ohne seinen Künstlern die Schau zu stehlen. Ein weiterer Tabubruch, aber er will gekonnt sein. Nach der Schule dachte König daran Künstler zu werden. Vielleicht erklärt das einiges. Denn nicht nur seine Künstler realisieren Ideen, auch er setzt Ideen um, mit seiner Galerie als Werkzeug und seinem Kirchenraum als Bühnenbild.“

Weiterlesen: Kunstforum International, Band 262 „Borderlines. Kunst – Nichtkunst – Nichtkunstkunst“ Hrsg.  Martin Seidel