Emanzipation des Mutterbildes?!

Ausstellungskatalog „Bauhausfrauen“, Kunsthalle Erfurt, Mein Essay: „Und, hat die Künstlerin Kinder? Der Kunstmarkt als Spiegel – nicht von Kunstwerken, sondern von soziologischen Rollenbildern“

Auszug:

… „Das zugrundeliegende Problem ist die schöne Idealisierung und die sich daraus ergebende einfältige Rolle einer guten Mutter, demgegenüber Männer und Väter eine komplexere und positiv gesehen widersprüchlichere Figur repräsentieren.

Eine Ambivalenz wird Müttern nicht zugesprochen.

Die Journalistin der New York Times Jori Finkel sprach in Artist and Mother über das letzte große Tabu in der zeitgenössischen Kunst: Nicht Sex, nicht Politik, sondern das Mutter-Sein.[1] Um konkreter zu werden: Das Tabu ist die Ambivalenz, also die im klassischen Sinne „unschöne“ Mutter.

Die Absolventin der Bauhaus-Universität Weimar Carina Linge bekam ihr Kind bereits im Studium und war danach die Hauptverdienerin der Familie. Auch sie wurde von Sammlern und Galeristen häufig nach Kindern gefragt, mehr als ihre männlichen Kollegen. Mütter würden das Kinderthema stark vermeiden. Zu groß ist die Angst vor der ökonomischen Prognose, dass sie ihre Arbeit vernachlässigen und unzuverlässig würden. Bei Vätern wäre das anders, hier sind Galeristen und Sammler beruhigt, wenn Nachwuchs ansteht. Die Erwartungshaltung ist schlichtweg konträr: Der Künstler wird gefestigt, konstanter und zuverlässiger[2] – eine Investition lohne sich demnach umso mehr. Linges Fotografie Dame mit Kaninchen scheint genau diese Unverhältnismäßigkeit anzusprechen. Verweist das Kaninchen auf das Tragen des Nachwuchses und, durch die Hermelin-Symbolik, auf die Rolle der Geliebten, stellt das Gesamtbild die gehäutete soziologische Erwartungshaltung an die weibliche Pflege- und Umsorgungsrolle dar.“

[1] Vgl. Jori Finkel, in: Artist and Mother, 14:05 Min.

[2] Carina Linge im Interview mit der Autorin, Februar 2019