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Kinder sind die jüngste Zielgruppe des Kunstbuchverlags Hatje Cantz. Diesen
Herbst startet die neue Bilderbuchreihe „Hatje Cantz’chen“ über Kunstthemen und von Künstlern gestalteten Büchern. Mit dabei das Künstlerpaar Silke und Jeppe Hein, selbst Eltern
von vier Kindern. Sie haben einen Klassiker, die Geschichte über eine Raupe, die sich zum Schmetterling
verwandelt, neu aufgelegt. „Schau nach oben Aya und du kannst die
Sterne sehen“ bebildert die Raupengeschichte mit Aquarellen und Collagen der beiden. Kunstbücher für Kinder sind nichts Neues. Pablo Picasso, Keith Haring oder Andy Warhol beispielsweise haben sich in diesem Metier betätigt. Der Pop-Art-Pionier integrierte Kinder sogar als sein Publikum in Museumsausstellungen, indem er kleinere Werke extra tief platzierte, eben auf ihrer Augenhöhe.
Natürlich kann die Kunst den Kindern einiges bieten. Doch deren Phantasie und Erkundungsdrang sind
sowieso keine Grenzen gesetzt, egal ob es sich um ein Bild von Andy Warhol
handelt oder um einen merkwürdigen Stein am Strand. Für sie ist die Kunstwelt bei weitem nicht so aufregend wie für das erwachsene Publikum, das in einem Kreativitäts-Spiritualismus
wirksame Lebenshilfe sucht. Treibt man es Kindern nicht aus, haben sie sowieso keinen Mangel daran.
Doch auch Künstler interessieren sich für die Erzeugnisse von Kindern. Der Mehrwert ist also andersherum
wesentlich höher: Auf der kindlichen Zeichensprache und ihrem Spiel basieren Manifeste, Kunstbewegungen, politische Ausdrucksformen und ästhetische Innovationen. Angefangen bei den Expressionisten über die Cobra- und Art-Brut-Bewegung und das Konzept des Nicht-Könnens in
den 1980er-Jahren (beispielsweise bei Jean-Michel Basquiat) bis zu den Gegenwartspositionen Jonathan Meese, Jeff Koons oder der Märchenarchitektin Li Xiang: Sie alle versuchen, etwas
wiederzufinden, was Kinder in ihrem Naturell tragen.
Auch Silke und Jeppe Hein scheinen nicht nur den Kindern etwas
geben zu wollen, sondern von ihnen Inspiration bekommen zu haben. Die Welt der Raupe ist ein abstraktes Universum aus zeitgleichen Multiperspektiven in den Himmel und auf
die Erde. Die wässrigen, organischen Wirbel zwischen Mikro und Makrokosmos könnten auch Jeppe Heins
Streifenbildern, die er für Erwachsene produziert, einen neuen Input schenken.