Essay // Van Horn Gallery //
Für Ulrike Schulze schrieb ich den Essay „Dekonstruierte Einzugsgebiete“.
Ausschnitt:
„Aber sind es nicht eher Spiele von Architekturen? Häusermodelle, die sich von vorn hinein sträuben realisiert zu werden? „Für mich sind es auch Einzugsgebiete“, bemerkt Schulze. Gebiet heißt nicht Haus, kann aber eine abstraktere Variante von Behausung meinen. Der Einzug kann von imaginären Bewohnern vollzogen werden. Der Gedanke kommt einem, wenn man das ein oder andere Tor am Fußteil der Skulpturen betrachtet. Eine Minimal-Art-Welt der Hausmaus Jerry?
Hier am Fußende fällt die Skulptur bereits eine Entscheidung. Ein verschlossenes Tor führt zum potentiellen Einzugsgebiet. Andere Werke weisen einen kleineren Hohlraum auf. „Füße“ für Schulze. In diesem Falle steht hier kein Einzug bevor, sondern ein Gegenüber. Der Abschluss einer Skulptur zum Boden hin, ist ein essentieller Moment, der die Arbeit ausmacht. Nicht nur für ein Gegenüber, sondern auch für ein Objekt oder eine Architektur, ist der Abschluss, der Sockel, das Fundament, eine entscheidende Komponente für die Wahrnehmung der kompletten Kontur und der Behauptung im Raum.
Zunächst sieht es so aus, als seien Schulzes Skulpturen spontan und schnell entstanden. In Wirklichkeit lässt sie sich gerne Zeit, beobachtet und überdenkt die Spontanität sehr genau.
Das Abwartende ist ein genauso wichtiger Werkprozess, wie das Handanlegen. Denn nur wenn man im Wald lang genug auf der Lauer liegt, hat man die Chance, das Hervortreten von Phänomenen wahrzunehmen. Wenn Schulze vor ihren Skulpturen auf der Lauer liegt, dann um ihre Form nicht zu erzwingen, sondern um das zu erkennen, was das Objekt in sich birgt und wie es mit seinem Umfeld oder anderen Objekten reagiert. Es passiert viel im Warten. Hieraus entstehen wichtige Erkenntnisse, die anschließend in aktiveren Prozessen wieder ausgearbeitet werden.
Ihre Arbeiten sollen nicht schön aussehen. Die Umsetzung von ‚guten Ideen‘ ist nicht ihr Anliegen, darum fertigt Schulze auch keine Pläne an. Gute Ideen sind Plattformen, durch die jemand sich besonders vorteilhaft präsentieren kann. Ihr Ansatz ist das nicht. Von „gutem Geschmack“ wendet sie sich ebenfalls ab. Die ‚bad perfection‘ teilt archaische Momente des offenen Kunstwerkes. Statt einer veredelten Finalisierung, bewahren sich die Skulpturen einen Charakter von Prozesshaftigkeit und authentischem Moment-Realismus.“