Katalog Justine Otto

Katalogtext „Melancholie unter heißem Wind“ / DCV Verlag /

Auszug: „Neben Zigaretten und Cowboys spielen Tiere eine große Rolle in Ottos Malerei. Besonders Pferde, die durch ihr straffes Gesäß, die organisch runde Hinteransicht und durch ihre muskulösen Hälse hervorstechen. Kunsthistorisch gesehen ist das Pferd das prominenteste Tier der Malereigeschichte. Angefangen bei der Höhlenmalerei, über die Kriegsbilder, die Herrscherportraits und Machtsymbole bis hin zur Sinnlichkeit, zur Melancholie und zum leidenden Wesen. Das Pferd ist in allen Bereichen das vorherrschende Tier. Die Kunsthistorikerin Annett Reckert, die über das Pferd in der Kunst geforscht hat, stellt fest: „Durch seine enorme Anpassungs- und Lernbereitschaft ist das Pferd zu einer zentralen Projektionsfigur des menschlichen Ehrgeizes geworden.“ Es steht für Größe und Schönheit, Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer. In den Werbefilmen der neueren Zeit kommen Charakteristika wie Freiheit, Abenteuer und Coolness hinzu, sowie Mode und schnelle Autos. Außerdem symbolisiere das Pferd gerade heute Luxus, Eleganz, Prestige und Glamour. „An Hunden, Katzen und Vögeln scheiden sich die Geister, das Pferd jedoch ist ein Tier, dem fast jeder Sympathien entgegenbringt“, schreibt Reckert.[1]

Auf Ottos Gemälde Triptec sieht man drei Pferde mit ihren Cowboys davonreiten.

Die Landschaft ist unscharf, so als ob sie an einem vorbei raste. Nur die Tierkörper haben klare Konturen, jedoch sind auch diese gestisch und schwungvoll gemalt. Sie verlaufen sich nach Innen. Muskeln, Sehnen, organische Formen und malerische Abstraktion verschmelzen hier. Jedoch bleiben die Tiere, im Gegensatz zu vielen anderen Sub- und Objekten, ein Motiv, das man stets leicht erkennen kann, weil es in seiner formalen Auflösung noch nicht weit fortgeschritten ist. An ihnen wird formal also nicht die Dekonstruktion vollzogen, sondern ein anderes Stilelement, das bei Otto auftaucht: Die gestische, schnelle Figuration. Der Schwung einer Linie, die in der einen Kurve mal Außenkontur ist und in der nächsten Kurve schon unter die Haut gelangt und Muskelgewebe umfasst. Ähnliches gilt für die Farbe: Mal zeichnet sie einen schmalen Lichtschimmer nach, mal ein ganzes Volumen, das sich erhebt. Unbändig und wechselhaft setzt Otto hier gekonnt verschiedene Malelemente zusammen.“


[1] Annett Reckert (Hrsg.), Das Pferd in der zeitgenössischen Kunst, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2006, S.10–12.