/Neues aus dem Untergrund / Junge französische Malereiszene / Ausgabe September 2022/
Featuring PAL, Pablo Tomek, Alexandre Bavard, Modern Jazz, Hams Klemens, Mathieu Julien. Fotos: Gregoire Bernardi.
Einleitung:
„Wir waren nie einfach nur Freunde, die irgendwo drinnen zusammensaßen, redeten und tranken“, erzählt Pablo Tomek, Mitbegründer von PAL. Die Gruppe, die sich 2008 zusammenfand, gehört zu den bekanntesten Kollektiven in Frankreich, die illegal im Außenraum malen, zeichnen und schreiben. Ihre gemeinsame Zeit verbrachten sie beim nächtlichen durch die Straßen laufen, beim Klettern auf Häuser und beim Taggen. Tags sind schnell geschriebene Namen, eine Art Schreibschrift. Die Tags der PAL-Mitglieder wie von Skubb, Tomek oder Saeio sind künstlerisch so stark abstrahiert, dass Außenstehende sie nicht lesen können. In der Szene jedoch sind ihre Schriftbilder europaweit bekannt. Die Buchstaben bestehen aus Kritzeln, Kringeln und tanzenden Strichen, die sich geschickt ineinander verschlingen. Auf der Straße muss das illegale Schreiben schnell gehen, um nicht erwischt zu werden. Die PAL-Handschrift ist schwungvoll, ausladend, abstrakt und erinnert an die hektisch gezeichneten Straßenszenen von Ernst Ludwig Kirchner oder einfach an ein tanzendes Fischgerippe. Das Taggen war ihre Zeichenschule, hier trainierten sie ihre Hand, hier entwickelten sie ihren eigenen Stil, ihre individuelle Gestik.
PAL steht für ‚Peace and Love‘, anfangs als klischeehafter Witz gemeint, als Augenzwinkern gegenüber den Klischeebildern von aggressiver Männlichkeit und der dominierenden Pariser Gruppe UV – Ultra Violent (Ultra Gewalttätig). Doch auch stilistisch malten sie gegen die autoritären Graffitidogmen an. Ebenfalls auf der Suche nach neuen Bildern im Graffiti-Milieu befanden sich die Künstler von MJ (Modern Jazz) wie Mathieu Julien, Hams Klemens und Jin Angdoo. In den Straßen von Paris, der Bretagne und Marseille, verfremdetenauch sie die Buchstaben ihrer Namen so weit, dass abstrakte Gemälde dabei herauskamen.
Die Mitglieder von PAL und MJ lösten sich vom klassischen, meistens sauber ausgeführten, comichaften Graffitibild und suchten mit verspielterer, freier Hand neue Bildsprachen. Als Anti-Style lassen sich ihre Arbeiten am besten beschreiben, in der Kunstgeschichte mit dem Informel oder der Art Brut vergleichbar.
Diese Bildsprachen bringen die Künstler mittlerweile auch auf die Leinwand – und einige Galeristen und Kuratoren gewannen Lust mit den Künstlern und ihren unkonventionellen Ansätzen zuarbeiten. Die jungen Künstler von der Straße gehören seit einigen Jahren zu den spannendsten Entdeckungen der französischen Kunstszene und erneuern die Malerei – und das ganz ohne Malereistudium an der Akademie.“
ganze Reportage im Heft.