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Semiose Galerie freut sich die Einzelausstellung der Künstlerin Aneta Kajzer in ihren Räumen zu präsentieren. Die deutsche Malerin hat sich der Farbe verschrieben, der Dramaturgie von Lichtverhältnissen und dem Spiel von Deutungsinteressen. Ihre Malerei fusioniert abstrakte und halb abstrakte Elemente. Das ‚halb‘ ist in ihrem Kontext deshalb wichtig und wird nicht etwa durch ‚figürliche Elemente‘ ersetzt, weil Flächen und Formen keine Eindeutigkeiten zulassen. Gesichter und Wesen werden im nächsten Pinselschwung wieder zu Flecken, und freie Farbformen werden in einem Dreh zu Gewitterwolken oder Natur.
Die Wesen spielen eine besondere Rolle und tauchen in Form von Gesichtern auf. Oft sind es nur kleine Punkte und Striche, die Augen und Mund andeuten. Auf Halunken wurden zwei hellgrüne Punkte in weiße Flecken gesetzt. Diese minimalen Eingriffe reichen, damit das menschliche Gehirn Augen und daran ein ganzes Gesicht assoziiert. Es gehört zu seiner Natur, eben in der Natur lebendige Wesen auszumachen, ob Feind oder Freund. Ob in dem Muster einer Rauhfasertapete oder in dem Rauch einer Zigarette. Die Nase des Halunken ist hingegen ausgearbeiteter, ein Rüssel, eine Penis-Nase richtet sich erwacht nach oben. Die rosafarbene Ausmalung unterstreicht die Assoziation an das Geschlechtsteil. Ein fröhlicher Penis, in einer gelben, sonnigen Blase. Drum herum Himmel, der auch Ozean sein könnte, und rote Hügel, die an Kakteen oder schmelzen Eis erinnern. Wässrig und flüssig erscheint das gesamte Bild. Ein neuer Ansatz von Aneta Kajzer, die in ihren vorherigen Bildzyklen dunklere und schwerere Räume durch tiefere Violett- und Blautöne zeigte.
Für die Ausstellung Head In The Clouds schuf sie neue Gemälde, die leichter und aquarellartiger erscheinen.
Der dunkle Himmel aus früheren Werken ist aufgebrochen, weiß scheint jetzt an vielen Stellen hindurch. Die Farbe bleibt, wie in ihren dunkleren Gemälden, in einem Fluss aus Schwüngen und Drehungen, die so typische für Aneta Kajzer sind, dass sie ihrer Handschrift eine unverkennbare Note verleihen.
Mit breitem Pinsel wird die Leinwand nicht durchgetaktet wie bei den Impressionisten, nicht durchgepindselt wie bei den neuen Wilden, sondern durchgeschwungen. Diese großen Schwünge sind es, die alles in Bewegung halten, die eine rein figürliche Malerei verhindern, aber genauso eine rein abstrakte Malerei solange kitzeln, bis sie sich windet und wendet und daraus neue Figuren entstehen. Auf virtuose Weise treiben die lockeren Pinselspuren zu einer Komposition. Sie strukturieren die Fläche, setzen die Farbe in Szene, intensivieren ihre Leuchtkraft und zur gleichen Zeit werden sie zu lesbaren Konturen der Wesen.
Die Gemälde entstehen liegend auf dem Boden, sie werden nass gemalt und erst für weitere Malvorgänge an die Wand gehängt. Die Figuren sind weder geplant, noch werden ihre Gesichter als letztes hinzugefügt. Stattdessen wachsen sie aus dem Malprozess auf natürliche Weise hervor. Ihre aktuelle, pastelligere Farbpalette lässt an Maria Lassnig denken, eine von Kajzers großen Inspirationen. Auch Miriam Cahn zählt dazu. Ihre geisterhaft wirkenden Köpfe, die aus farbstarker Malerei hervorstechen sind ebenfalls Referenzen für die Künstlerin.
Die Bildwelten von Aneta Kajzer siedeln sich in der Natur an. Wetter, Himmel, das Universum und die Fauna auf dem Boden entstehen aus Farbe. Die Arbeit Über den Wolken zeigt eine dynamische Komposition. Eine Sphäre aus Orange und Rot, die in der oberen Ecke ins Schwarze abdriftet und mitten darin hellblaue Wolkenwirbel, die sich auftürmen. Jedoch nicht als Gewitter, sondern als fliegender Wolkenfreund, der den daruntergehenden Kunstbetrachter begleitet. Der orangene Mund, die dunklen blauen Augen wirken gütig, auch wenn sein Schwung massig und kräftig die Luft und das Wasser aufpeitschen. In der Mitte des Bildes ziehen Wolken und Sphäre auseinander, viel Weiß bleibt frei, doch zwischen den Naturelementen wirkt dieses Weiß plötzlich so tief wie das Schwarz der Nacht – Ein dramaturgischer Kniff.
In Sommersturm braut sich eine andere Energie zusammen. Die weite Leere wird durch herannahende Gewitterwolken eingenommen. Darunter, an der rechten Seite, ein Wirbelsturm, der nach oben treibt. Direkt daneben eine entgegengesetzte Richtung: Das nach unten verwaschene Blau erinnert an Regen, der hinunterströmt. Ebenfalls auf der rechten Bildhälfte ein saftiges Olivgrün, das sich verdunkelt, aber zeitgleich von hinten angeleuchtet wird. Ein schmutziges, bedrohliches Gelb zeichnet das Sommergewitter aus.
Sirens könnte in einem Nachtmeer spielen. In der Bildmitte zeichnet sich ein Meeresspiegel ab, ein orangener Lichtschein am Himmel wird zu einer violetten Geschalt unter Wasser.
Aber solche Naturschauspiele sind nicht auf allen Werken zu deuten. Andere wie Muggy scheinen Traumsequenzen zu eröffnen. Eine Art Geist mit orangenen Haaren und gelbem Gesicht huscht durch die Farbe. Auf der linken Bildhälfte bewegen sich hellere Lichtwolken, die durch Fingermalerei entstanden. Etwas cremiger wirken die pastelligen Töne in kleineren Wirbeln, die durch Fingerkuppen strukturiert wurden.
Die Personifizierung der Farben in Wesen, Geister, Natur- oder Wetterelemente zählt zur typischen Bildsprache von Aneta Kajzers Werk. Oft sind die Wesen melancholisch, grübelnd oder flüchtig. Immer befinden sie sich in einer besonderen Dramaturgie von Licht, von Dunkel und Hell, von Tiefe und Schatten, oder von Luft und Himmel. Die abstrakte Malerei überwiegend, erstaunlich ist ihre Deutbarkeit durch die kleinen Eingriffe, die die Gesichter formen. Dabei geht es nicht um ein Entweder Oder. Wurde im 20. Jahrhundert eifrig gestritten und debattiert, ob abstrakt oder figürlich gemalt werden sollte, leben wir heute in einem Zeitgeist, der hybride Grenzen im persönlichen Stil zulässt. Klare Einordnungen sind veraltert. Spielerisch zeigt Aneta Kajzer die Freiheit der zeitgenössischen Malerei: Es wird gemischt, wonach das Gemälde fragt, es wird gemalt, was es braucht und was es will.