Mein neuer Kunstforum International Themenband: Mutter-schafft. Eine Bestandsaufnahme

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Mütter. Mutterschaft. Kunst. 3 Säulen dieses Themenbandes. Kann eine gute Mutter auch eine erfolgreiche Künstlerin werden? Eigentlich eine unverschämte Frage. Eine Frage, die ausgestorben sein sollte. Und doch haben sie vor nicht allzu langer Zeit Frauen wie Marina Abramović und Tracey Emin verneint. Und damit vielen Künstlerinnen Angst gemacht. Natürlich haben sich beide Frauen geirrt. Es gibt viele Gegenbeispiele. Wie Pipilotti Rist, Jenny Holzer, Isa Genzken, Katharina Sieverding, Marlene Dumas oder Kara Walker. Mehr noch unter der jüngeren Generation wie Alicja Kwade oder Cecily Brown.

Um einen Diskurs zu aktualisieren und weiterzubringen müssen daher auch solche Fragen gestellt werden: Warum nimmt der Druck auf Mütter zu? Wie gestaltet sich die Kunst- und Kulturbranche als Arbeitswelt für Mütter? Was muss sich ändern, um Mütter nicht weiter zu benachteiligen? Was kann jede*r Einzelne tun? Und warum spielt die Mutterfigur im zeitgenössischen feministischen Diskurs eine marginale Rolle? Dieser Band richtet sich in erster Linie nicht nur an Mütter, sondern besonders an die, die potentiell mit Müttern zusammenarbeiten könnten. Also an alle.

Ganz konkret wird es mit Vorschlägen und Forderungen in dem Kapitel „Und es wäre möglich! Wie die Kunstbranche in der Arbeitswelt zur neuen Avantgarde werden könnte.“

Hier versammelt die Gastherausgeberin Larissa Kikol verschiedene Stimmen, die wirksame Lösungsvorschläge bereithalten.

Dazu wird auch im Interview mit der Galeristin Nicole Hackert besprochen, wie Galerien ihre Künstlerinnen nach der Geburt ihrer Kinder unterstützen können und dass es der Karriere nicht schaden muss, wenn im ersten Babyjahr auch mal eine Ausstellung verschoben wird.

Zu Anfang des Themenbandes steht der Essay von Larissa Kikol: „Liebe Mutter, du Dilemma. Vom Geniemythos, Uterusneid und warum auch der Feminismus mehr Mütter braucht.“ In dieser kunstsoziologischen Erzählung wird die Rolle der Mutter, besonders vom 20. Jahrhundert bis heute betrachtet – auf dem Feld der Kunst und in der Gesellschaft. Auch der Feminismus hat Probleme mit der Mutterfigur. Der Grad einer emanzipierten Mutter wird vor allem noch daran gemessen, wie stark sie einer Frau ohne Kinder ähnelt. Doch das kann nicht funktionieren.

In „Wer hat Angst vor Müttern?“ erzählen Frauen aus ihrer Biografie als Mutter und als Teil des Kunstbetriebs. Künstlerinnen, Kuratorinnen oder auch Professorinnen geben private Einblicke in ihr Leben und ihre Arbeit. Mit dabei: Elke Buhr, Brigitte Meese und Elinor Carucci.

Ein ausführliches Interview mit Caroline Walker entstand kurz nach der Geburt ihres zweiten Kindes. Die Künstlerin thematisiert in gleich mehreren Werkserien Geburten und Mutterschaft und zählt damit zu den aktuellsten und überzeugendsten Malerei positionen auf diesem Feld.

Rineke Dijkstra fotografierte bereits in den 1990er Jahren Mütter einige Stunden nach der Geburt. Ungeschönt zeigt sie die nackte Wahrheit über authentische Körper, Tränen und Glück. Im Interview erinnert sie sich an die intensiven Momente zurück, in denen sie mit ihren außergewöhnlichen Modellen arbeitete.

In dem Essay „Die erschöpfte Mythologie des Mutterdaseins“ widmet sich Ann-Katrin Günzel prägnanten Werken der zeitgenössischen Kunst, die die Mutterrolle befragen. Von Mary Kelly, die in den 1970er Jahren Windeln ihres Sohnes ausstellte bis zu Candice Breitz, die zeigt wie Mutterklischees zu Wut und Überforderung führen können, hinterfragt die Autorin damit auch den patriarchalen Druck, der sich bis heute nicht aufgelöst hat.

Sabine Kampmann setzt in dem Essay „Great Mother Artists? Familiäre Verkörperungen von Kreativität und Mutterschaft“ die Körperdarstellungen in den Vordergrund und geht der Analogie von kreativem und biologischem Gebären nach.

Mutterschaft darf kein Tabuthema mehr sein. Denn die Kunstwelt braucht mehr Mütter.

Zum Band hier: https://www.kunstforum.de/band/2024-295-mutter-schafft/