Ausstellungstext für Jenny Brosinski

Choi & Lager Galerie, Köln, 2021

„Wenn die Signatur eine Täterschaft ist, dann ist das Gemalte der Tatort.
Ein Tatort ohne Verbrechen, aber ein Ort des malerisch Passierten. Uneindeutig, bestehend aus Spuren und Tatsachen, aus Zeichen, Geheimsprachen und Entscheidungen, deren zeitlicher Ablauf anachronistisch in einem einzigen Bildmoment zusammentrifft.

Die schwarze Linie auf Lickin Horse könnte ein Pferdegesicht sein. Das Rot vielleicht Blut. Darunter steht „Figs“. Die figürlichen Assoziationen waren keine leichte Entscheidung, „gerade am Anfang ist das schwer auszuhalten“ erzählt Jenny Brosinski. Auf You keep sayin you got somethin for me ist ein weißes Bein mit Schuh. Für die Ausstellung Goofy wollte sie auch andere, ästhetische Wege zulassen. Goofy steht auch für Albernheit, für Unvollkommenes, für Ausrutscher, verweist auf die gleichnamige Comicfigur, wie auf das falsche Bein vorn beim Skateboard fahren. Der Titel ist ein Augenzwinkern, die Malerei soll nicht rein konzeptionell oder intellektuell begriffen werden. Es geht auch um die Bereitschaft zu Fallen. Diese Bereitschaft ist sie hier in Form der schwarzen und weißen Linien eingegangen, die plötzlich zur Kontur werden. Doch auf Lickin Horse passiert noch anderes: Ein kratziges Gelb breitet sich aus, schiebt ein weiches Braun zur Seite. Ein helleres grün- blau wird zum schüchternen Bewunderer. In diesem Moment geht das Figürliche wieder verloren, flüchtig war seine Spur und das malerische Passieren wird zum eigentlichen Motiv. ‚Passieren‘ heißt: das Vorgefallene.

Vorgefallen sind Setzungen und das, was sich unter ihnen abspielt. Zwischen der Farbe, der Dynamik des Striches, großen Buchstaben, den Kritzeln, Falten, Linien und Fußabdrücken. Diese Setzungen sind eben nicht so eindeutig wie Sprache und ebenfalls nicht so analytisch wie eine Zeichnung. Jenny Brosinskis abstrakte, minimalistische Malerei ist überraschend konkret in ihrem Verweis auf sich selbst. Ihre Ästhetik lässt keine Lügen zu, kein Tricksen, jeder Strich und jede Spur sind sichtbar und werden zur klaren Behauptung. Aber eben auch nicht zu mehr. Illusionen lehnt die Künstlerin ab.

Auf And now someone else is getting all your best steht eine Un-Form kurz vor der Auflösung. Nur die vier pinken Linien halten das Vorgefallene Dunkelgrün zusammen und geben ihm eine sichere Orientierung. Vielleicht ist es ein Wettstreit, eine Spannung zischen dem Drang auszuufern und dem Wunsch rational bei sich zu bleiben. Zwischen dem energisch Expressivem und der kühlen Freiheit, die das Minimale mit sich bringt. In Konkurrenz steht auch das Babyblau und das grelle Gelb auf Chinese New Year. Gestützt aber auch angeheizt durch den Kontrast zum tiefen Schwarz, bleibt offen, ob die blaue Besetzung mit ihren kritzeligen Rändern oder die kurze gelbe Sprühlinie das dominante Element dieser Arbeit ausmacht.

Die großen Freiräume, die Jenny Brosinski ihren malerischen Elementen gibt, sind unübersehbar. Farben und Striche atmen hier, zeigen sich als offenes Werk und kaschieren nichts. In vorausgehenden Arbeitsschritten setzt Jenny Brosinski ihren Werken aber auch heftig zu. Dann hantiert sie mit Dreck, Olivenöl, Schuhen, zieht Farbe mit Chlor heraus, zerschneidet, näht zusammen, klebt oder steckt eine Leinwand wiederholt in die

Waschmaschine. Damit überrascht sie auch sich selbst, spielt mit Zufall und Kontrolle, mit Gekonntem und Ungewolltem. Darüber liegen Zeichen aus der Spraydose, inspiriert von den Bauarbeitermarkierungen auf der Straße, die auf Nicht-Eingeweihte wie geheime Codes wirken. Gegen Ende konfrontiert sie sich mit der Frage, was das Bild eigentlich braucht und was nicht. Dann wird Subtrahiert, Herausgenommen, Minimalisiert – eben neue Freiräume geschaffen.

Im Kontrast zu den Leinwänden stehen ihre Skulpturen. Figürlich sind sie, in Gestalt von Monstern, Phantasiewesen, einer unsportlichen Kanne oder einem kotzenden Delphin. Als Skizze fertigt Jenny Brosinski kleine Keramiken an, die später in Bronze gegossen oder aus Kalkstein gehauen werden. Die Größe gleicht Kindern, damit bleiben ihre Figuren wesenhaft verspielt. In der Nähe zu ihrer Malerei, wirken die Skulpturen aber auch als Lebewesen, die ihre Malerei rezipieren, vielleicht sogar noch mehr, aus ihr heraus stammen, aus Landschaften, die nur auf das menschliche Kunstpublikum abstrakt wirken.“

mehr Infos: http://www.choiandlager.com/exhibition.php?exb_id=73