Mona Ardeleanu – Katalog

Johann König Galerie // Essay //

Mein Essay für den neuen Ausstellungskatalog von Mona Ardeleanu:

Wissen muss man es nicht. – Zu Referenzen als Köder und zu den Schwebeobjekten von Mona Ardeleanu.

„Auf den ersten Blick wirken ihre Bilder so, als müsste man nachschlagen.

Mona Ardeleanu malt in meisterlicher Manier virtuos gefaltete Stoffbündel, verbundene Textilobjekte, Haare und Trachtenorigami. Belesene Kunsthistoriker würden schnell den Finger heben, die Stoffmuster und Faltungen kennen, sie Ländern, Regionen und Epochen zuordnen und dadurch zu sehr eindeutigen Interpretationen gelangen, wie: „Diesen blauen Stoff trugen die Bäuerinnen während der historisch kaum bekannten Landfrauenrevolte 1723 in Russland, folglich stellt das Kunstwerk nicht nur eine wichtige Rechercheleistung dar, sondern transferiert politische und prä-feministische Statements ins Heute.“ Wenn der Stoff dann noch mit einer anderen Faltenlegung kombiniert wäre, zum Beispiel mit der eines spirituellen Geheimbundes aus dem Burgund des 16. Jahrhunderts, dann würde der Kunsthistoriker vor lauter Rededrang ungeduldig auf den Füßen wippen. Doch so ist es nicht.  Mona Ardeleanu erzählt, dass sie nicht ins Museum gehe, um sich alte Meister anzuschauen oder Inspirationen zu suchen. „Gar nicht“ sagt sie lachend. Sie hätte zwar ein paar Bücher mit Faltmustern, aber beim Malen bliebe sie lieber in ihrer eigenen Welt.

Genau das ist der richtige Ansatz, auch wenn sich der Kunsthistoriker jetzt enttäuscht wieder hinsetzen und die Hände in den Schoss legen wird.

Ardeleanus Bildobjekte entstehen in ihrer finalen Form erst auf der Leinwand. Zwar schaut sie sich Aufnahmen von Falten und Stoffen an, aber sie collagiert, erfindet, sampelt und schafft am Ende weniger ein Abbild von historischer Natur oder von ethnologischem Sampling. Ardeleanus Motive sind oft Phantasiegebilde. Statt sich als Künstlerin zu einem folkloristischen Archivauftrag berufen zu fühlen, gibt sie lieber ihrem Erfindungsdrang nach. Surreale, schwebende Objekte entstehen, genauso wie die vermeidlichen Referenzen surreal sind. Ihre Malereien werden in erster Linie emotional rezipiert, nicht wissenschaftlich.

Natürlich gibt es auch Kunsttendenzen, in denen das Gegenteil der Fall. Eine lange und verwobene Referenzliste scheint oft den Anschein von wissenschaftlicher Erhabenheit auszulösen. Künstlerreisen und Recherche in Archiven werden durch Mitbringsel, Readymades oder Bildzitaten veranschaulicht und multipliziert, so dass erklärende Begleittexte oder Führungen unausweichlich sind, will man diese inhaltliche Konstruktion verstehen. Es ist eine Art von Konzeptkunst, die oft durch große Installationen auftritt und politische, ethische oder naturwissenschaftliche Botschaften trägt. Natürlich hat diese Kunstforum ihre Berechtigung, natürlich gehört sie vor allem zur etablierten Palette der Werksprachen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hinzu. In der aktuellen Malerei gibt es jedoch auch Gegentendenzen, die die Entwurfskraft als surreale Schöpferkraft an erster Stelle setzen. Hier geht es um Weltentwürfe, die oft durch mehrere Werkserien immer komplexer und ausgefeilter entwickelt werden. Nicht die reale Wahrheit soll die Kunst darstellen, sondern die Wahrheit des Bildes. Ardeleanus Wahrheit findet sich also nicht in Archiven, sondern auf der Leinwand. Es braucht keine erklärende Führung vor dem Bild, es braucht lediglich die individuelle, persönliche Wahrnehmung der Formen, der Farben, der Falten, die gerne personifiziert oder auf den eigenen Körper angewendet werden können. Es könnte sich auch um Fischembryonen handeln, um eingewickelte Organe wie menschliche Herzen, um Kleiderkäfige oder historische Mode-Science-Fiction. Die monochromen Hintergründe halten sich zurück, geben manchmal etwas Licht ab, wirken aber sachlich und museal. Nichts wird das Hauptobjekt stören, es belästigen, es ist und bleibt in Sicherheit, konserviert für alle Zeiten. Obwohl ein konkret wissenschaftliches Etikett einer genaueren Objektbestimmung unmöglich ist. Es gleicht einem Ausstellungsstück in einer Wunderkammer. Wurde es wirklich so gefunden oder hat der verrückte aber clevere Wunderkammerbesitzer es eigenhändig so manipuliert, aber erzählt es keinem? Um Spektakel, Besucher und Ruhm zu ehren, wurden schon einige Ausstellungsstücke manipuliert, zum Beispiel die Überreste von angeblichen Seejungfrauen oder von menschlichen Mutationen. Aber auch harmlosere Stücke, die die märchenhafte Phantasie beflügeln, wurden gefälscht, bzw. erfunden. Ardeleanus Kreationen könnten ebenfalls neue Etiketten hinzugefügt werden. Diese Aufgabe kann der Betrachter übernehmen. Aber auch der Kunsthistoriker darf aktiv werden, wenn er seine Bücher vergisst. (…)“

mehr Infos: https://www.koeniggalerie.com/artists/67308/mona-ardeleanu/works/